Interview: Zur WM-Zeit durch Brasilien

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Freitag ist, Start ins Wochenende und ich dachte mir, es ist auch mal wieder Zeit für ein Reiseblogger-Interview. Heute konnte ich Bianca vom Blog www.lebedraussen.de ein paar Fragen zu ihrer Auszeit in Brasilien und ihren Reiseerfahrungen stellen.

Liebe Bianca, erstmal Danke fürs Zeit nehmen! Willst du dich kurz mal vorstellen?

Hallo Carmen, das mache ich gerne: Mein vollständiger Name ist Bianca Gade, ich bin 37 Jahre jung und lebe mitten in einem Biosphärenreservat im Saarland. Gebürtig komme ich aus São Paulo (Brasilien), habe zwei Staatsbürgerschaften und lebe seit meinem 6. Lebensjahr in Deutschland. Ich liebe Fitness, lange Wanderritte durch unsere naturbelassene Landschaft, fliege Gleitschirm, tauche bei günstigen Gelegenheiten und wenn ich mir ein Motorrad leihen kann, fahre ich saugern auch damit eine längere Tour. Kürzlich durfte ich sogar mal das Wellenreiten erlernen, das ich irgendwann gerne in Brasilien vertiefen möchte. Alle Touren und Abenteuer halte ich dabei auf www.lebedraussen.de fest – einmal nur für mich aber auch für meine Freunde, die ebenso oft aktiv sind.

Wenn man nach deiner Beschreibung geht, bist du ein ziemliches Energiebündel. Warst du schon immer ein Abenteuerjunkie und was war für dich bis jetzt das aufregendste Erlebnis?

Witzigerweise fühle ich mich gar nicht so sehr als Energiebündel, da mir alle Aktionen auch zur puren Erholung dienen. Abenteuer habe ich zwar schon immer gerne erlebt, doch verstärkte sich das nach meiner Diagnose, Tumore auf der Leber zu haben. Glücklicherweise ist daraus nichts Lebensbedrohliches geworden, doch es hat mich ziemlich aufgeschreckt. Seitdem lebe ich nach dem Motto: Gibt deinem Leben nicht mehr Zeit, sondern deiner Zeit mehr Leben.

Das wohl aufregendste Erlebnis war generell die drei Monate Auszeit zur WM 2014, in der ich alleine durch Brasilien reiste. Dank eines finanziellen Polsters konnte ich einfach nur reisen und erfüllte mir Vorort lang ersehnte Träume. Getreu dem Motto: Was wolltest Du schon immer mal im Leben getan haben? So galoppierte ich einsame Strände entlang, schwamm mit wilden Delfinen, erlernte Portugiesisch wieder neu, tauchte und schnorchelte in Gewässern des Pantanals, dem brasilianischen Sumpfgebiet. Ich machte Nachtwanderungen in Rio auf riesige Steine, wovon sich Base-Jumper stürzen, lernte in der Metropole São Paulo viel über japanische Geschichte und ging in fast trockenen Wasserstellen in der Steppe Brasílias baden. Ich kann gar nicht sagen, was davon alles das beste und aufregendste Ereignis war, da alles anders und besonders war. An zwei Momenten aber, kann ich mich aber besonders gut erinnern: Erster war, als ich bei Vollmond draußen lag, den Wind im Gesicht spürte und unter mir die hell erleuchtete Stadt Rio de Janeiro lag. Zweiter Moment war, als ich in der mysteriösen Lagune tauchte und mich auf den Rücken drehte, um das strahlende Sonnenlicht von oben zu erblicken – unter mir ein 220 Meter tiefes, schwarzes Loch. Zu diesen Zeitpunkten war ich mir ganz besonders nah und das prägt mich bis heute.

Du bist 3 Monate lang während der WM-Zeit durch Brasilien gereist. Wie kam es dazu und war es eine Spontanaktion oder lang geplant?

Die Idee der Reise entwickelte sich erst langsam. Alles begann damit, dass ich mit mir selbst und mit meinem Leben unzufrieden wurde, obwohl es daran nichts auszusetzen gab. Doch es fehlte mir an Motivation, vieles war zur Routine geworden und ich fragte mich, ob das nun schon alles war. Daraus entstand die Idee, sich eine Auszeit zu nehmen. Da mein Vater in Recife noch ein Haus hat, das 900 Meter vom neuen Fußballstadion entfernt liegt, war der Zeitpunkt dann auch festgelegt. Die Vorbereitungen dauerten aber an: Meinen Job wollte ich deswegen nicht verlieren und überlegte daher mit meinen Vorgesetzten, ob und wie eine solche Auszeit möglich sei. Wir einigten uns dann darauf, dass ich die ersten vier Wochen von Brasilien aus zwei Stunden am Tag arbeite und für die restliche Zeit waren zwei Kollegen bereit, das Wichtigste abzufangen. Glücklicherweise kann ich als Marketingleiterin gut im Voraus planen, sodass ich vieles vorbereiten konnte. Dazu kam, dass die Sommerzeit generell eher ruhig ist. So war der Zeitpunkt perfekt gesetzt, die Chefs machten mit und auch meine bessere Hälfte gönnte mir von Herzen diese Reise – wenngleich er auch keine großen Freundensprünge machte. Dafür liebe ich ihn aber umso mehr 🙂

Du hast auch eine Favela-Tour in den „Slums“ von Rio gemacht. Wie war diese Erfahrung für dich?

Die Faszination Favela entwickelte sich nach einem Fernsehbericht. Als meine Familie und ich noch in Brasilien lebten, haben wir um die Favelas immer einen großen Bogen gemacht, aus Angst vor Kriminalität. Das ist auch noch heute nicht ganz unbegründet. Durch die WM wurde in Rio doch schon einiges getan und so kam der Wunsch hoch, eine solche Favela zu besuchen. In diesem Bericht hörte ich außerdem von Hostels, die in den Favelas von Rio eröffnet wurden, was mich dann veranlasste, direkt in einer Favela zu übernachten. Für sieben Euro die Nacht gab es Meerblick direkt auf die Copacabana und um diesen zu genießen, schlief ich nicht im Bett, sondern draußen auf der Veranda.

Auch eine Favela-Tour konnte ich dank einer lieben Freundin, die in Rio lebt, machen. Wir sind mit Motorrad-Taxis auf den höchsten Punkt der Favela Rocinha gefahren worden, haben dort einen Freund besucht und sind dann in diesem Favela-Labyrinth wieder nach unten spaziert. Natürlich nicht ohne vorherigen Sicherheitseinweisungen seitens meiner Freundin, falls doch mal geschossen wird. Ein Spaziergang ist das auch in vermeintlich sicheren Favelas nicht und man sollte sie nur mit Ortskundigen besichtigen.

Alles in allem fühlte ich mich aber in den Favelas doch recht sicher, zumindest zur hellen Tageszeit. Negativ beeindruckt hat mich die irrsinnige Mischung zwischen Arm und Reich dort in Rio. Haus an Haus leben die Ärmsten der Armen mit den Reichsten der Reichsten zusammen. Da erkennt man wirklich, wie gut es uns geht.

Gab es auch „Pannen“ oder unschöne Dinge auf deiner Reise? Würdest du diese Reise genauso noch einmal machen, oder gibt es Dinge, die du im Nachhinein anders planen würdest?

Es gab eine schlimme Panne auf meiner Reise zu der Zeit, als mich meine Schwestern für zwei Wochen begleitete. Wir waren in einem wunderschönen Hotel und buchten dort einen Ausritt durch ein Stückchen Pantanal. Da meine Schwester noch nie auf einem Pferd gesessen war, fragte ich bei der Buchung nach Reitkenntnissen. Anfänger wären kein Problem, sagte man mir, man würde sowieso nur im Schritt gehen. Am Tag des Ausrittes sagte ich einem Guide noch, er solle meiner Schwester ein besonders ruhiges Anfängerpferd geben, da sie keine Reiterfahrung hat. Wir ritten ca. 15 Minuten, als meine Schwester plötzlich von ihrem Pferd aus heiterem Himmel abgeworfen wurde. Außerdem trat es aus und verletzte sie am Beim. So sehr, dass sie stark blutete, vor Angst zitterte und weder laufen konnte, noch weiter reiten wollte. Ich gab ihr mein sehr ruhiges Pferd und sie nahm allen Mut zusammen, setzte sich drauf und wir ritten mit rund 15 Leuten wieder zurück. Ich nahm ihr Pferd, das alles andere als ruhig war. Ich war so sauer auf den Guide und machte mir unendlich viele Vorwürfe, sie überhaupt auf die Idee gebracht zu haben, diesen Ausritt zu wagen (ich selbst reite seit ich Kind bin). Noch Tage später hatte sie Probleme und wurde in mehreren Krankenhäusern untersucht, was den Urlaub natürlich ziemlich dämpfte. Glücklicherweise konnten wir später trotzdem noch einiges zusammen erleben.

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich etwas anders machen würde. Würde ich aber nicht. Die Mischung aus geplanten Reisepunkten und spontanen Aktionen Vorort, empfand ich für mich als sehr angenehm. Klar, wäre ich möglicherweise an einem Ort kürzer oder länger geblieben – doch mit der Planung entgang ich so der “Gefahr” irgendwo zu versumpfen oder zu vorschnell abzureisen. In beiden Fällen hätte ich einige Abenteuer nicht gehabt 🙂

Was war bis jetzt deine schönste Reiseerfahrung?

Tolle Reiseerfahrungen sind für mich vor allem jene, mit denen man mit Einheimischen zusammen kommt. So waren meine bessere Hälfte und ich vor ein paar Jahren mal zum Gleitschirmfliegen in Tucuman, Argentinien. Während er einen schönen Flug hatte, bin ich irgendwo “abgesoffen”, also irgendwo eingelandet und musste per Anhalter und Taxi irgendwie wieder zum Startplatz. Auf dem Weg dorthin nahm ich in meinem Taxi noch einen weiteren Gleitschirmpiloten mit, der meinen Lebensgefährten und mich später zu sich und seiner Freundin zum Abendessen einlud. Diese Nacht wurde zu einer unvergesslichen, argentinischen Grillparty mit ganz tollen Menschen 🙂

Wohin führt dich deine nächste Reise?

Im Augenblick ist noch nichts geplant, da wir mitten im Hausumbau sind. Sobald es aber irgendwie geht, will ich wieder nach Brasilien und neue Ecken erkunden. Vielleicht geht es im Herbst aber auch mal wieder zum Fliegen nach Frankreich oder Italien – wir werden uns da ganz spontan nach dem Wetter richten 🙂

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